Montag, 20. November 2017

Das Bahnhofsviertel wacht auf


Unser OB Thomas Geisel zeigte auf der Immobilienmesse Expo Real zwar das Viertel GRAND CENTRAL, aber er zeigte nicht den Worringer Platz, der gleich daneben liegt. Hätte auch alles kaputt gemacht. Er stapfte munter durch den Hauptbahnhof, Groschek war dabei, aber er ging nicht über den Mintropplatz; hätte wiederum alles kaputt gemacht.


Der Bahnhof ist ein schwieriges Viertel

Neulich war ich griechisch essen, mit Freunden am Bahnhof. Hätte nie geglaubt, dass man da gut essen kann. Kann man aber: griechisch und japanisch sowieso und chinesisch und indisch, amerikanisch, italienisch, türkisch.

Meine Freunde schwärmen vom Theater, nicht im Schauspielhaus, nicht im FFT (Forum Freies Theater) oder im Juta Seta, nein sie schwärmen vom Hauptbahnhof und vom Theater-Café im gläsernen Gang über der Worringer Straße. Sie reden vom Stadtarchiv, von der neuen VHS Bibliothek.


Träum ich?

Meine letzte Erinnerung war ein Film im schrecklichen MAXI Kino neben dem schrecklichen "Buttershaker", im Auto eine Stunde gefangen, ein Ungetüm von einem Parkhaus, wo auf einmal das Gitter hochging, 11 Uhr nachts. War ich ein Krimineller, ein Drogendealer?

Weitere Erinnerungen: eine Polin, die nach Hause wollte auf einem zugigen Bahnsteig mit riesigen Bussen überall, Abschied - Tränen - Taschentücher. Ich wagte nicht, weiter zu gehen auf eine grüne Insel, wo man todesmutig in die Unterwelt stieg, ein Tunnelsystem, das man schließen musste: Lebensgefahr.


Hier begann eine neue Epoche

Genau hier im Baumarkt begann das Musicalzeitalter. Operette war lange aus, Oper war zu schwierig; also ging man ins CAPITOL "Let the sunshine in": zum Schluss tanzten die schönen Frauen nackt auf der Bühne. Wahnsinn. Und in London fragten wir uns: "Durfte man da rein mit Mädchenklassen?“

Noch weiter zurück: mein täglicher Gang von der Helmholzstraße, Harkortstraße zum Bahnhof, zur Uni Köln. Wir wohnten "vor dem Bahndamm". Unser Balkon zeigte auf die Etablissements der Poensgenstraße. Ich überquerte den Mintropplatz "Goldene Hölle". Aber es war keine Hölle, was ich sah. Ich zweifelte an den Worten des Predigers in der "Freien Gemeinde" Bendemannstraße. Die Hölle schien mir das Paradies. Ich ging zum CVJM Graf Adolf Straße, weil es dort nicht nur christliche junge Männer gab, sondern auch die schönsten Mädchen. Und in der "Freien Gemeinde" gab es sie auch. Ich ging von einem Paradies zum anderen.

Das Bahnhofviertel wacht auf in diesen Tagen

"Let the sunshine in !"


Autor: Dieter Jäger | Redaktion: Bruno Reble | © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Montag, 16. Oktober 2017

Aus Thyssen-Krupp wird TATA Steel "Tatü Tata!"


Immer wieder dieselben Bilder: Das Ruhrgebiet stirbt, die Industrie stirbt, die Riesen schwanken, wir sind am Ende einer Epoche. 200 Jahre Eisengeschichte, die unser Land groß machte. Das ist vorbei.
Düsseldorf ist stark mit der deutschen Eisenindustrie verbunden. Sie hat entscheidend den Wohlstand der Stadt mitbegründet. Ein kurzer Blick zurück:

Die erste Hütte

Die Krupps, holländische Protestanten, Weinhändler aus dem Moseltal, waren im 17. Jht. nach Essen gekommen und dort als Kaufleute wohlhabend geworden. 1805 schenkt die Witwe Helene Amalie ihrem Enkel Friedrich die Gute-Hoffnungs-Hütte, revidiert das Ganze schnell, weil Friedrich nicht mit Geld umgehen kann.
Es war neben "Antony" die erste Hütte im Ruhrgebiet, entstanden 1782 im Streit des Drei-Länder-Ecks (Preußen, Kur-Köln, Bistum Essen) um das Wasser des Elpbaches. Gefeuert wurde mit Holzkohle, das Eisen kam vom Rasenerz der Emscherwiesen, den Blasebalg betrieb der Bach.

Das erste Stahlwerk

Der entlassene Friedrich gründet immerhin 1811 die "Gußstahlfabrik Krupp" in Essen und damit den Mythos KRUPP. Gußstahl war, wie alles, in England erfunden und zwar 1740 vom Uhrmacher Huntsman (Tiegelofen). Krupp führt das Verfahren 70 Jahre später als erster in Deutschland ein.
Sohn Alfred, der berühmteste in der Kruppdynastie, baut 1852 die nahtlosen Eisenbahnreifen, die das Logo der Firma werden, er baut die größten Kanonen der Welt und die "Villa Hügel". Sohn Fritz hat beste Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. Schwiegersohn Gustav und dessen Sohn Alfried setzen die Kanonenschmiede fort. Einer landet im alliierten Gefängnis.
Erst Berthold Beitz setzt andere Akzente. Der "Wilde" Gerhard Cromme macht die erste "Feindliche Übernahme" 1992 (Hösch Dortmund), aber die Übernahme von Thyssen war 5 Jahre später ein zu harter Brocken. 1999 wird dann daraus eine freundliche Fusion "Thyssen Krupp"

Die Krupps halten sich bis 1999 aus Düsseldorf heraus

Bei Thyssen ist das anders. August Thyssen aus dem Kohleort Eschweiler/Eifel schluckt nach und nach alle Konkurrenten: die Piedboeufs, die Poensgen, zum Teil auch Mannesmann und Rheinmetall. Sohn Fritz wird schließlich Chef der VESTAG (Vereinigte Stahlwerke) mit Sitz in Düsseldorf.
Alle großen Namen der westdeutschen Eisenindustrie kommen aus drei Regionen: Siegerland, Eifel, Ruhrgebiet. Das Rheinische Schiefergebirge, in 300 Mill Jahren abgetragen bis auf den Rumpf, gibt das Eisen frei (Siegerland, Eifel/Schleiden). Absinkende Flachmeere lassen in Jahrmillionen die Steinkohle entstehen (Ruhrgebiet / Aachener Kessel / Eschweiler). Der PHÖNIX, eine belgisch deutsche Industriegruppe wird 1852 in Eschweiler gegründet. Hösch und Thyssen kommen aus Eschweiler. Beide orientieren sich später an Phönix (vertikale Struktur = alle Sparten in einer Hand).
Hösch geht nach Hörde Dortmund, Thyssen nach Mülheim, beides die besten Standorte: Ruhrmündung: Duisburg-Ruhrort, Oberhausen, Mülheim und Emskanal Dortmund. Der Phönix plant auch die einzige Hütte in Düsseldorf (Eintracht- / Kölnerstr.) an der Bergisch-Märkischen Eisenbahn.
Sitz für Thyssen: Düsseldorf, die Residenzstadt, die schon Mulvany begeistert hatte. Die Thyssenhäuser wurden zuerst noch als Phönix-Rheinrohr Häuser gebaut: Stummhaus von Bonatz 1925, Haus an der Roeberstr von Wach 1926 (später Arbeitsamt) und Dreischeibenhaus 1960 von Tamms: es wird das neue Wahrzeichen von Düsseldorf.
Die Piedboeufs aus der belgischen Eisenstadt Lüttich starten ebenfalls von Eschweiler aus, sie kannten Oberbilk von den Ziegelwallonen her, die schon im 18.Jht. die Ziegel für Düsseldorf gebrannt hatten.

Fressen oder gefressen werden

Albert Poensgen kommt aus der Eifeler Eisenstadt Schleiden. 1860 zieht er an die Bergisch-Märkischen Eisenbahn in Oberbilk (heute Suttnerplatz). Er schluckt Piedboeuf, wird aber selber von Rheinmetall und Mannesmann geschluckt, die langsam aus Düsseldorf Mitte nach Reisholz ziehen. Thyssen hat sie alle geschluckt, Sohn Fritz wird 1926 Chef der VESTAG, Europas größtem Montankonzern Sitz Düsseldorf.   Aus Phönix Rheinrohr wird das Thyssen Dreischeibenhaus.
1999 kommen die letzten Riesen zu ThyssenKrupp zusammen. 2000 erleben wir das Drama Vodafone / Mannesmann. 2010 zieht die Firma nach Essen, zurück zum Ursprung Krupp. Zwei sind also übrig geblieben: die gerissene Witwe Helene Amalia Krupp und der noch gerissenere August Thyssen.
Früher schlugen sich die Kontrahenten die Schädel ein, die Essener Fürst-Äbtissin schickte eine kleine Privatarmee gegen die preußische Gute-Hoffnungs-Hütte, die Preußen schlugen zurück.

Heute geht es gesitteter zu

Arbeitsplätze gehen verloren, die Städte Duisburg Bochum auch, der Sitz kommt aus Steuergründen nach Amsterdam.
Aber es geht gesittet zu und man kündigt es vorher an, damit wir uns darauf freuen können: Tatütata!

Autor: Dieter Jäger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © 2017 www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Donnerstag, 28. September 2017

Der Corneliusplatz erstrahlt in neuem Glanz

Herzstück Düsseldorfs von 1900 bis heute

Als 1801 die Mauer fiel, gemeint ist die Stadtmauer, da schuf Hofbaumeister Huschberger ab 1804 Wassergräben und Alleen. Auf der verwinkelten Trasse der Ostmauer entstand so die künftige Königsallee, anfangs Mittelallee genannt.

Das Wasser wurde an drei Stellen überbrückt: Ratinger Brücke im Norden, Elberfelder Brücke im Osten und Benrather Brücke im Süden. Die Brücken waren gleichzeitig Zolltore nach dem Muster der Pariser Zollmauer von 1783. Die in einem einfachen Bretterzaun liegenden Tore wurden nachts abgeschlossen. Der berühmte Triumphbogen, durch den Napoleon im November 1811 ritt, war das Elberfelder Tor.

Die Barriere d´ Elberfeld führte auf den Kälbermarkt, hier war das Ende des Flinger Steinwegs (heute Schadowstr). 1811 entsteht der Boulevard Napoleon (Heineallee), der an der Flinger Bastion endete. 1803 werden die Kasernen abgerissen. Der kleine östliche Weg wird 1807 verbreitert und "Breite Straße" genannt. Als Breidenbach an diesem Boulevard 1812 sein Hotel eröffnet, gibt es keinen Zugang zur Flingerstraße, keinen Zugang zur Kö. Stattdessen plärren 500 Pänz vom "Kasten", dem königlichen Gymnasium (ab 1831) direkt vor seiner Tür.

1869 bekommt der Kälbermarkt die Schadowbüste und den Namen Schadowplatz. Jetzt erinnert man sich an den großen Vorgänger Cornelius, von 1819 bis 1824 erster Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie. 1872 gibt man ihm eine Straße und erwägt am Ende der Kö ein Denkmal.1879 wird es aufgestellt, der kleine namenlose Platz wird zum Corneliusplatz.

Seit 1902 steht daneben das berüchtigte Parkhotel, in dem Adolf Hitler 1932 von der deutschen Großindustrie hofiert wird. Um Platz für Aufmärsche vor ihrem Lieblingshotel zu haben, verschieben die Nazis das Denkmal 30m nördlich in den Wald.

1880 wird der kleine Corneliusplatz durch Zuschütten des Kögrabens zum heutigen Zentrum von Düsseldorf und bekommt den Schalenbrunnen (Leo Müsch) und 1902 den Tritonenbrunnen (Fritz Coubillier). 1909 formt der Jugendstil-Meister Josef Maria Olbrich Düsseldorfs größtes Juwel: den Kaufhof.

Der Platz mit seinen Droschken, Pferdebahnen, Elektrischen, Autos und berühmten Kaufhäusern wird eine Art "Potsdamer Platz". Längst hat das Parkhotel die Adresse Königsallee 1a.

Cornelius war vergessen

Aber sein Denkmal ist voller Überraschungen. Frauengestalten beherrschen die Szenen. Die Religion ist noch verhüllt, auch Italia und Germania sind sittsam gekleidet. Dann aber: Dr. Faustus wird von der schönen Helena verführt, der männliche Genius enthüllt die fruchtbare Natura, die wunderschöne nackte Poesia singt sirenengleich zur Lyra.

Cornelius war zwar ein frommer Mann mit langem Haar wie der "Nazarener"(so nannte sich sein Malerclub). Aber er heiratete sinnliche Italienerinnen. Ein Zeitgenosse über seine dritte Frau: "Nie sah ich einen schöneren Oberleib".

Autor: Dieter Jaeger  |   Redaktion: Bruno Reble   |   © geschichtswerkstatt-duesseldorf.de
Weiterführende Links: wikipedia.org/wiki/Peter_von_Cornelius  / wikipedia.org/wiki/Peter-von-Cornelius-Denkmal

Montag, 21. August 2017

Wem gehört die Stadt?


Nachlese zum Urban Art Festival auf dem KAMPER ACKER



Wer über die Kölner Landstraße in den Kamper Acker fährt, fühlt sich wie in einer Arena: eine große freie Fläche, eingerahmt von den Häusern von Holthausen. Das ist ein idealer Rahmen für Straßenkunst oder Street-Art (wie es im Jargon heißt) und im August 2017 den Stadtteil belebt. Holthausen braucht so etwas. Die Klagen über Drogen, Dealer, Prostitution werden immer lauter.

Wer tiefer gräbt, hört vom Rückhaltebecken für Regen, ein Becken? Ja, so sieht es aus. Tatsächlich war der "Kamper Acker" einst ein großer See: der "Lange Weiher". Von Holthausen sprach keiner. Der See wurde zum eingezäunten Feld, einem "Kamp".

Aber wo zum Teufel ist das Wasser?

Wo ist der "Lange Weiher"? Einfach verschwunden, versickert? Gibt es so was? Nein, natürlich nicht, wir sind hier nicht im Land der Tropfsteinhöhlen. Der "Lange Weiher" verschwand durch fürstlichen Befehl.

Der Vater Jan Wellems, Philippe Wilhelm baute 1661 das alte Schloss Benrath als "Morgengabe" für seine mit 16 Kindern geplagte Ehefrau Elisabeth. 100 Jahre später baute Carl Theodor wieder für eine Ehefrau Elisabeth (sie war von Lüsten geplagt) das neue Schloss Benrath. Es waren Wasserschlösser. Die Herren brauchten Wasser, viel Wasser.

Aus der Itter wurde der im Schweiß der Hand und Spanndienste gebaute kerzengerade Benrather "Schweißgraben". Die übrige Itter wurde trocken gelegt. Sollen die Bauern vom Kappeler Hof, von Niederheid, Holthausen, Itter und Himmelgeist doch sehen, wie sie klarkommen.

So ist es bis heute geblieben. Die stolze Itter, die all diese Orte hervorgebracht hat, gibt es nicht mehr. Sie mündete in Itter (wo denn sonst), später in Himmelgeist in den Rhein. Am Berg von Holthausen staute sie sich zum "Langen Weiher", der heute "Kamper Acker" heißt.

Kunst am Kamper Acker ?


Ja, und Erinnerung an einen großen Fluss.

Autor: Dieter Jäger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Donnerstag, 27. Juli 2017

Bilk hat wieder eine Tränke für Pferde

16.Mai 2017: Viele waren gekommen aus Politik und Bilker Szene. Doch der Held des Tages heißt Jürgen Striewe. Der Bilker Jong aus der Bachstr.154 hatte in unermüdlicher sechsjähriger „Wühlarbeit“ für die Wiederherstellung der Tränke „gekämpft“. Jetzt war es soweit. Jürgen Striewe zieht an der weißen Leine: Das neue Straßenschild heißt:

Bilker Pferdetränke

Stadtobere in schwarzen Anzügen schwitzen, Pferde wiehern, Sektgläser blitzen in der strahlenden Sonne. Trotz der sommerlichen Hitze von 26 Grad hatte Rosa, das schwarze Prachtpferd der Bilker Schützen, keinen Durst. Dann mit ein paar Lekkerli ein kleiner Stubser ins Wasser: Jubel der über 70 Anwesenden.

„Die hat ihren eigenen Kopf !“… sagte der Reiter

Kopf und Herz hatte auch Jürgen Striewe, denn er gab nicht auf. Politiker, Vereinspräsidenten, Bauhofverwalter, sie alle wurden ihn nicht mehr los. Hauptsponsor der Tränke sind die Bilker Schützen. Sie übernehmen die Patenschaft.
Die Pferdetränke steht an einer der ältesten Straßenkreuzungen Düsseldorfs: Die Friedrichstraße ist der wichtigste Südeingang der Stadt. Der hohe Besuch – von Süden kommend - scheute früher die gefährlichen Windungen des Rheins und stieg lieber schon in Himmelgeist aus, um auf dem Landweg über Himmelgeister-, Brunnenstraße zum Schloss in der Altstadt zu gelangen.
Im 19.Jht entstand an dieser Stelle ein Industriekomplex, etwas weiter die Papierfabrik WOESTE. 1890 schuf Stadtplaner Stübben mit dem Hauptbahnhof  auch den Bilker Bahnhof. Im 1.Weltkrieg starteten hier die Soldatenzüge an die Westfront: zurück kamen die Verwundeten für das alte Husarenlazarett an der Färber Str.
Ein Überbleibsel des historischen Bahnhofs wurde jetzt wiederhergestellt: die alte Pferdetränke. Sie diente den Pferden, die weiter die Rampe zum Bilker Güterbahnhof heraufmussten, als Rastplatz und Trinkplatz. Versorgt wurden außerdem die Vierbeiner der alten Pferdebahn. 1876 fuhr eine ihrer ersten Strecken von hier zur FLORA nebenan.

Vornehm geht die Welt zugrunde

Jetzt gibt es wieder einen geschichtlichen Bezug für den Platz zwischen Bahnhof und Einkaufszentrum. Dieser öde Konsumtempel sollte ursprünglich mal „Bilker Arcaden“ heißen. Das war den Marketing Experten aber nicht weltstädtisch genug. Also entschied man sich 2008 für die vornehmere Bezeichnung „Düsseldorf Arcaden“.
Und die Adresse? Neuerdings vielleicht „Bilker Pferdetränke"?
Nein weit gefehlt: Die postalische Anschrift lautet auch weiterhin „Friedrichstr.133“!
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Autor: Dieter Jäger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Dienstag, 20. Juni 2017

Mit Heine nach Paris

Auf der Spur der Tour: Vom Grand Depart zum Grande Finale


Als der Schriftsteller Heinrich Heine am 19 Mai 1831 an der Porte St Denis in Paris ankommt, ist er 33 Jahre alt. Ein junger Mann, in Deutschland schon sehr berühmt, aber auch verhasst bei der preußischen Obrigkeit und ständig von Zensur bedroht.
Er zieht ein durch die Triumpf-Pforte des Boulevard St.Denis, die – so berichtet er selbstbewusst - „ursprünglich zu Ehren Ludwigs XIV. errichtet worden, jetzt aber zur Verherrlichung meines Einzugs in Paris diente."
Die Stadt steht noch im Zeichen der Julirevolution von 1830, als rebellische Bürger dem König zeigen, dass man Barrique Fässer auch zu etwas anderem benutzen kann. Daher der Name Barrikade. An der Spitze der Revolution: liberale Bürger, denen man das Recht auf Publikation verwehrte, im Bündnis mit Druckern, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Das imponiert Heinrich Heine.
Und feinsinnig beobachtet er: „An den Straßenecken waren freilich hie und da die liberté, égalité, fraternité schon wieder abgewischt.“

Auch sein Französisch war rostig geworden…

und so probiert er es gleich bei einem hübschen Blumenmädchen aus, ob sie ihn versteht. Das klappt noch nicht so richtig, denn er doziert über Lennes Pflanzeneinteilung und sie sagt ihm, dass es doch nur 2 Sorten Blumen gibt: die schönen wohl­riechenden und solche, die stinken. Da haben wir ihn Heinrich Heine, der in beiden Welten lebt.
Er zieht in das Hotel „Des Ambassadeurs“ und wählt so das Viertel, das ihn die nächsten 24 Jahre nicht mehr loslassen wird. Mit sicherem Bauchgefühl hat er das pulsierende Herz von Paris im Jahr 1831 gefunden. Seine wichtigsten Wohnungen liegen hier: Rue de l'Échiquier, Rue Bergère, Boulevard Poissonnière.
Der Sonnenkönig Ludwig der 14te hatte 1673 übermütig die Stadtmauer von Karl V. abgerissen. An seine Stelle ließ er die erste riesig große Straße von Paris bauen und mit Bäumen bepflanzen. Diese Straße wird vom deutschen Wort "Bollwerk" abgeleitet, bald "Boulevard" genannt.

Draußen vor der großen Stadt

Heine lag mit dem Wohnsitz auf dem Boulevard an der Nahtstelle zwischen dem mittelalterlichen Paris südlich zur Seine und dem Neubaugebiet nördlich in Richtung Montmartre
Dieses Neubaugebiet nennen die Pariser "Faubourg" (Vorstadt). Der Faubourg Montmartre (das spätere 9.Arrondissement) wird seine Heimat. Hier waren die Wohnungen geräumiger, zum Teil noch mit Gärten oder Weingärten durchsetzt. Am langsam aufsteigenden, der Süd Sonne zugewandten Hang von Montmartre hing sein Herz. Auf dem jungen Friedhof Montmartre wollte er auch begraben werden. Auf Grund des langsamen Aufstiegs zum Berg Montmartre war dieses Viertel bevorzugt und von allen Faubourgs am weitesten besiedelt.
Hinzu kommt, dass in gerader Linie zur Seine das Palais Royal lag, der Mittelpunkt des „Ancien Regime“ mit seiner Opern und Theaterwelt. Später wird auf dieser geraden Linie „Montmartre-Palais Royal“ das Einkaufzentrum LAFAYETTE entstehen und die neue Oper: das Zentrum der "Belle Epoque".
War früher die Rue de Richelieu die Prachtstraße, so wird noch vor dem Baron Haussmann die Avenue d´Opera das neuste Prunkstück. Zwischen den Bergen Montmartre und Belleville liegen die Täler, die von der Eisenbahn besetzt werden (Gare de Lazare, Gare de l‘Est, Gare du Nord).
Heine lebt drei Jahre als Junggeselle in immer wechselnden Hotels oder Wohnungen. Die unzähligen Liebesabenteuer seiner Gedichte sind gewiss übertrieben. "Samstag küsste mich Jette und Sonntag die Julia und Montag die Kunigunde, die hat mich zerküsst beinah".

Heine und die Frauen: Oh, la la Mathilde !

Im September 1834 sieht er in seiner Lieblingspassage (Passage des Panoramas) eine siebzehnjährige Schuhverkäuferin und es ist um ihn geschehen. Er nennt sie nach einer seiner Romanfiguren "Mathilde".
Nach 7jähriger wilder Ehe (vor einem vielleicht tödlichen Duell) heiratet er sie1841 in der größten Kirche St Sulpice. Mit Mathilde wird er sesshafter, aber die Wohnungen bleiben immer im 9. Arrondissement.
Das Sonnenviertel Montmartre zieht natürlich auch andere an .Die meisten seiner Kollegen wohnen hier. Hier gibt es die „folies“, die Sommerresidenzen und heimlichen Liebeslauben des Adels und Großbürgertums. Hier gibt es die weinseligen Guinguettes-Feste. Hier ist der Carnaval neben der berühmten "Descente de Courtille" am ausgelassensten. Hier winken die leichten Mädchen, die Lorettes oder auch die stilleren Grisettes, die schönsten Mädchen von Paris, sie sind alle hier.
Mit den Schauspielerinnen und Sängerinnen von der „Commedie Francaise“ und den drei Opern fängt es an. Sie siedeln an der herausragenden Chaussee d‘Antin und in der Rue de la Tour des Dames (mit den „Damen“ waren allerdings die keuschen Nonnen von Montmartre gemeint).
Heines Freundin, das Mannweib mit Zigarre George Sand wohnt hier mit ihrem Geliebten Chopin im Square d’Órleans. Delacroix, der sie malte, wohnt daneben. Toulouse Lautrec später in der Rue St George, selbst der große Victor Hugo in der Rue Laroche-Foucauld. Im Salon der Delphine Grey treffen sich Balzac, Dumas, Hugo, die Brüder Goncourt, später Andre Breton und Richard Wagner. Wenn Heine von der Weltspitze Paris sprach, dann war es hier im 9. Arrondissement.

PALAIS ROYAL, die Herzkammer der Stadt

Mit Börne ging er zum dîner ins „Palais Royal“. Hier stand der Rechtsanwalt Camille Desmoulins am 13.Juli 1789 auf einem Tisch des Café de Foy und rief zum Aufstand, zu den Waffen. Am nächsten Tag begann die Revolution mit dem Sturm auf die Bastille.
Hier gab es die besten Cafes und nebenan die Comedie Francaise. Alle Opern lagen hier, aber auch die Versammlungsräume der St.Simonisten (=sozial-religiöse Schwärmer). Heine geht gleich am zweiten Tag dorthin.
Heine war Journalist der Allgemeinen Zeitung des Herrn Cotta aus München. Also berichtet er todesmutig vom Ausbruch der Cholera 1832, von den Leichenbergen im neuen Ostfriedhof Père Lachaise, vom Aufstand der Chiffoniers der Lumpensammler.
Er sah die Schattenseite der großen Stadt: die Cours des Miracles, die Hugo besang, die Halles mit dem Friedhof gleich daneben, den schrecklichen Richtplatz Grèves, wo das Rathaus stand, das in allen Revolutionen eine Hauptrolle spielte.
Das Trinkwasser kam von der Seine, die aber auch Abort aller Exkremente war, die größte Kloake der Stadt. Man glaubte an das gesunde Wasser der Seine, das so wild daher floss mit Luft durchmischt, das musste ja gesund sein.

Alles auf die Straße!

… war die Parole im Paris mit mittelalterlichen Zügen: der Nachttopf, der Besen, ganz allmählich Jauchegruben. Das "heimliche Zimmer" verlegte man wegen des Gestanks unter das Dach. In den engen Gassen hüpften skurrile Gestalten im Schmutz über die Straßenrinne von einer Seite zur anderen.
Heine lebte am Anfang der Industriellen Revolution. 1840 entsteht im Niemandsland der erste Bahnhof St.Lazare, die ersten Kioske, zum ersten Mal gehen die Cafés auf die Straße, überall entstehen Bistros, die Kneipen der kleinen Leute. All dies geschieht in seiner Gegend im 9. Arrondissement.
Als er krank wird, zieht er mit Mathilde etwas weiter rauf zum Montmartre in ein ganz neues Neubauviertel, das man "Europe" nennt. Er kann nicht mehr so mitmischen.
Zum Sterben geht er in die Rue de Matignon 3, am Rond Point neben der Champs Elysees. Sicherlich hat er das bewusst gewählt. 300m daneben liegt der Elysee-Palast, der der ganzen Gegend den Namen gibt. Hier hatte die Pompadour gewohnt, dann Murat, den er aus der Düsseldorf Zeit als Chef des „Grand Duché de Berg“ kannte. Er hatte als Knabe die Pempelforter Promenade geliebt, die man damals schon die "Champs Elysees von Düsseldorf" nannte.
Jetzt ist er - am Ende - auf der richtigen Champs Elysees angekommen. Man schiebt den totkranken Mann auf den Balkon und er lauscht dem Getöse der langsam zur Spitze der Stadt wachsenden großartigen Straße.
Hier wird er sterben um 6 Uhr früh am 17 Februar 1856. Er war auf den heiligen Feldern der Champs Elysees. Er hatte es nicht weit bis zum Paradies.

Autor: Dieter Jaeger    Redaktion: Bruno Reble    © 2017 geschichtswerkstatt-duesseldorf.de
Erläuterungen zur Aussprache  s. wiktionary.org,  zum Inhalt s. wikipedia.org

Mittwoch, 24. Mai 2017

Le Grand Depart - Düsseldorf und die Franzosen

Hier soll er also gekrönt werden, der erste Bergkönig der Tour de France, am 2.Juli 2017 auf einem Hügel an der Grafenberger Rennbahn. In der Sprache der Experten – ein Berg der„4. Kategorie“, also ein Mickerling; im Gegensatz zur Stimmung in Düsseldorf. Denn hier geht es um eine Erhebung "hors categorie" (außerhalb von jedem Maßstab). Und das ist gut so, denn sonst wäre die ganze Inszenierung unattraktiv für die Medien und die enormen Werbungskosten für die Katz.

Unser „premier maire“ Thomas Geisel übt fleißig Französisch. Die „maillots“ (Trikots) hat er schon drauf. Das rot gepunktete Bergtrikot heißt "maillot à pois" (mit Pünktchen); nicht zu verwechseln mit „à poil“ (splitternackt). Oh la la, das kann peinlich werden! „bidon“ (Trinkflasche) - „musette“  (Verpflegungsbeutel) - „grand boucle“ (Große Schleife) alles klar. Aber „finale“, le oder la? Schnell das Wörterbuch!

WIR - SIE

Die Beziehung zwischen Düsseldorf und den Franzosen war oft einseitig: Wir liebten sie, aber sie gaben die Liebe nicht zurück und haben uns mehrfach gehörig drangsaliert.
Der machtgierige Sonnenkönig „Louis Quatorze“ zerstörte die Pfalz und machte das Heidelberger Schloss von Jan-Wellem bis heute zur Ruine. Französische Revolutionstruppen zerschossen 1796 die Stadt Düsseldorf und verwüsteten den heiligen Hofgarten.
Doch stärker war letztendlich der Enthusiasmus für die Ideale der französischen Revolution…

Liberté - Égalité - Fraternité

Napoleon belohnte uns. Er machte Düsseldorf zur Hauptstadt eines Großherzogtums. Joachim Murat, ein Schwager des Kaisers, war Chef dieses "Grand-duché de Berg". Er ritt in papagei-farbenen Uniformen herum und schaffte die Strecke von der Altstadt zum Benrather Schloss in 20 Minuten. Die Rheinbahn braucht dazu fast eine Stunde.

Die Preußen bestraften uns und sahen schließlich ihren König mit Pferdekot bekleckert. Das wiederum führte zu außerordentlichen Bußprozessionen nach Berlin und der Tatsache, dass fast die Hälfte unserer Straßennamen Preußens Glanz und Gloria besingt.
Die Liebe zu Frankreich kehrt zurück, als 1990 im schrecklichen Derendorfer Güterbahnhof die Trödelhalle "Les Halles" eröffnet wird. Die Düsseldorfer taufen sie auf "Läsalles" und von nun an kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. Die "Allee de Toulouse" wird zur Autofalle, "Le Flair" und "Ciel et Terre" bauen Wolkenkratzer, mit „Quartier Central, Quartier Boheme, Quartier André“ wird die Stadt parzelliert und mit Retematäng und anderen Fiesematänten geht es direktemang zu „bon chic – bon genre“.
Kein Wunder, dass wir uns oft nicht verstehen: Aus „tournedos“ (Rindsfilet) wird ein Tornado, aus dem „hotel de ville“ (Rathaus) eine städtische Herberge und mit „quel bordel !“ ist keineswegs ein Freudenhaus gemeint, sondern Unordnung und Konfusion.
Genau das hatte ein Staatsekretär Napoleons vor Augen, als er schrieb: "Hier herrscht Chaos und Schlamperei... wie in Paris." Doch die Düsseldorfer sind nicht auf den Mund gefallen und erfinden den Ausdruck „Klein-Paris“.

Düsseldorf – le petit Paris

Heute würde man MARKETING dazu sagen.

Autor: Dieter Jaeger      Redaktion: Bruno Reble     © 2017 geschichtswerkstatt-duesseldorf.de