Samstag, 21. Juni 2014

"Toni, Du bist ein Fußballgott!"

von Dieter Jäger
Eigentlich hatte es eine Straße werden sollen: in Unterrath „Auf den Geisten“, benannt nach dem Düsseldorfer Fußball-Idol Toni-Turek. Die Straße war da, zumindest auf dem Reißbrett, aber es fehlten die Häuser. Die Siedlung wurde nie gebaut und so mussten sie wieder entfernt werden, die Schilder mit der Aufschrift „Toni-Turek-Straße“, die 2004 mit großem Tam-Tam vom damaligen OB Erwin angebracht wurden.

Nun also ein  Denkmal

genauer eine Bronze-Plastik, 4,50 m hoch. Sie zeigt den Teufelskerl, lässig gelehnt an einen Torpfosten in Form einer "Nummer 1"; Einweihung am 4 Juli 2014 zum 60.Jahrestag eines Wunders, wenn die Fußball-Weltmeister von 1954 vor der Düsseldorf Arena gefeiert werden sollen. Hochrangige Torwartlegenden haben ihr Kommen angesagt. Schaun wir mal.

"Tor, Tor, Tor!" 

und „Toni, Du bist ein Fußballgott“. Es gibt Worte, die bleiben. In der jungen Bundesrepublik gab es zwei Wunder: das Wunder von Lengede und das Wunder von Bern. Toni Turek war damals der beste Torwart.
Am 30. April 1954 gewinnt er im Berner Wankdorf-Stadion gegen Ungarn und für Deutschland die Weltmeisterschaft. Dabei war er kein echter Düsseldorfer, sondern ein Eingekaufter vom SSV Ulm. Sein Stammverein war Duisburg 1900.
Seine Stärke war eine unglaubliche Reaktionsschnelligkeit. Er konnte an der Schusshaltung der Stürmer erkennen, dass der Ball nicht das Tor treffen würde. Mit stoischer Ruhe sah er zu, wie der Ball Zentimeter am Tor vorbei zischte; nervenaufreibend, selbst für Sepp Herberger. „Das sehe ich schon, Herr Herberger", war dann sein Kommentar.
Es war die Zeit des Wiederaufbaus. Länderspiele waren Volksfeste. Trost für die zerschlagene Seele. Toni Turek verkörperte für viele den Neuanfang. Aus Kellerkindern waren Wirtschaftswunderkinder geworden. Das Wunder von Bern gab den entscheidenden Anstoß.
Turek bestritt 133 Spiele für Fortuna Düsseldorf. Ach Fortuna! Glück und Glas, wie leicht bricht das? Vielleicht der falsche Name; aber warum sollte ausgerechnet die Glücksgöttin aus der Antike die Namenswahl beeinflusst haben?

Brotfabrik Fortuna

Eine Brotfabrik hieß so und ein Lieferwagen dieser Firma soll gerade um die Ecke gebogen sein, als Turner aus Flingern nach einem neuen Vereinsnamen suchten.
Flingern ist Düsseldorfs Aschenputtel, der Hinterhof des Glücks. Nach Flingern kam das große Gaswerk, dann die Elektrizitätswerke, später die Müllverbrennung. “Licht und Wärme aus Flingern“, hieß es euphemistisch, aber die Flingeraner hatten am wenigsten davon. Die erste „Elektrische“ fuhr weit an ihnen vorbei.
Zur Beruhigung der Arbeiterbevölkerung in diesem Viertel vergab die Stadt Straßennamen, die Bäume, Blumen und Märchenfiguren darstellten, wie die später berüchtigte „RAF“- Kiefernstraße, während nebenan im vornehmen Zooviertel die deutsche Bildung dominierte (Schiller, Goethe, Herder).
Und die ersten Schlachten der Fußballjonges aus Flingern gingen vor allem gegen die feinen “Lackschuhpinkel“ vom DSC, aus dem später die DEG werden wird.
Ihr Fußballplatz entsteht, wie der Name „Flinger Broich“ besagt, auf einem Sumpfgelände, das niemand haben wollte. Angefangen hatte alles mit dem sportlichen Amtsrichter Emil Hartwich, auf den die Hälfte der Düsseldorfer Sportvereine zurückgeht. Er hatte mit seinem Buch „Woran wir leiden“ dazu aufgerufen, die Arbeiterjugend weg von der Straße und vom „Suff" zur Körperertüchtigung zu erziehen. Die Fortuna hatte in der wilhelminischen Zeit 1895 als „Turnverein Flingern“ angefangen. Fußball war verpönt als „Fußlümmelei“ oder „Englische Krankheit“. Hartwich hatte gerufen: “Werft den Fußball auf den Turnplatz!“.
Die Fortuna hat alle Höhen und Tiefen des Fußballs erlebt: 1933 Deutscher Meister, 1979 Deutscher Pokalsieger, sieben mal im Pokalendspiel, aber auch immer wieder Abstieg in die unteren Zonen bis zu den Amateuren.
Berühmte Namen, wie der Rekordnationalspieler Paul Janes ( 71 Spiele), Mauritz, Juskowiak, Jakob „Knöd“ Bender,  Kobierski, Jupp Derwall, die Allofs-Brüder, Gerd Zewe.
Heute singen die Düsseldorfer wehmütig: “Wenn der Janes und der Knöd hütt noch Fußball spele döt“.

Samstag, 14. Juni 2014

Wer wird Oberbürgermeister?

von Dieter Jaeger
Zum 37.Mal wählt Düsseldorf am 15.Juni 2014 seinen Oberbürgermeister. Der Erste wurde am 1.Dez 1813 ernannt. Es war der Beigeordnete Heinrich Schnabel. 
Nach Ansicht der preußischen Regierung muss es schwierig gewesen sein, „ein qualifiziertes Subjekt zu dem gerade gegenwärtig höchst lästigen Geschäft eines Bürgermeistes von Düsseldorf zu gewinnen“. Dementsprechend groß war der Verschleiß zu Beginn der Preußischen Herrschaft. Alle halbe Jahre ein neuer OB.

Redlich, mutig, klug

Gleich die erste Wahl 1815 geriet zum Spektakel. Wählen durften ohnehin nur steuerzahlende (männliche) Bürger, wobei die Reicheren mehr Stimmen hatten als die weniger Reichen. Die heftig geführte Schlammschlacht zwischen einem Protestanten und einem Katholiken ging in die Geschichtsbücher ein.
Deshalb wurde bei den nächsten Wahlen ein Tugendkatalog aufgestellt. So sollten potentielle Bewerber über ein gesetztes Alter verfügen, begütert, gebildet und Familienvater sein, ein guter Haushalter im eigenen Haus, beliebt bei Bürgern, außerdem redlich, klug, mutig, bescheiden, sanftmütig, wohltätig und religiös, doch duldsam.

Als die Amtshandlungen mit einem Gelage endeten

Vor 1813 gab es nur einfache Bürgermeister und das Leben schien einfacher. Der Bürgermeister herrschte über 4 Schöffen, die vom Fürst bestimmt und 4 Räte, die vom Bürger gewählt waren.
„Schöffen“ waren seit Karl dem Großen die Urteilsfinder, „Räte“ konnten intelligent raten, d.h. “Runen lesen“ und dann „Ratschläge“ geben.
Allerdings wurde daraus bald ein Familienclan der immer gleichen Apotheker, Wirte und Weinhändler, zumal alle Amtshandlungen immer mit einem großen „Gelage“ im Wirtshaus endeten.
Der  Meister der Bürger (lat. Magister) nannte sein Kollegium bald „Magistrat“. Der Meister vertrat die Stadt im „Landtag“ oft gegen seinen Fürsten, von dem er im herrschaftlichen 17. und 18. Jahrhundert mehr und mehr geknebelt wurde.
Der Bürgermeister war der wichtigste Mann der Stadt. Er setzte die Preise fest und kontrollierte die Einnahmen und Ausgaben. Wenn er auch nur das Doppelte eines Stadtrates bezog, so kam er durch die vielen Nebeneinkünfte auf das Vierfache seines Gehalts (Hebegelder bei Steuerfestsetzungen, Diäten bei Landtagen, Gelder für Prüfungen). Er wurde so mächtig, dass die Bürger bald öfter gegen ihren Magistrat als gegen den Fürst rebellierten.

Die Moral von der Geschicht‘

Der letzte Bürgermeister, französisch „Maire“ genannt, ist in die Lokal-Geschichte eingegangen.
Auf die 100 Fragen der französischen Verwaltung über seine Stadt Düsseldorf antwortete Maire Pfeill 1806 wahrheitsgemäß  zur Frage 73:  “Was ist der moralische Hang der Einwohner?“
„Die allgemeine Stimmung der hiesigen Einwohner ist in einem vielleicht zu hohen Grade zum Genuss eines jeden geselligen Vergnügens und der Zerstreuung bereit“.

Mittwoch, 11. Juni 2014

"Quartier M“: hoch hinaus mit 100-Meter-Turm

von Dieter Jäger
Quartier Central, Quartier Boheme, Quartier Andre, jetzt Quartier M,  die Quartierssuche geht weiter, auch wenn frankophone Zungen lieber von einem [kartjee] sprechen, wenn sie ein „Viertel“ meinen.
Auf dem ehemaligen Postgelände Erkratherstraße entsteht das neue „Quartier M“ für Büros, Wohnen, Gewerbe; Hauptattraktion ein 100 Meter Turm des Star-Architekten Jürgen Mayer H. - stürmisch gefeiert von der Presse und ausgezeichnet mit dem „Mies- van- der- Rohe Preis“, wie Perrault, Foster und Chipperfield.
Von 1895 bis 1937 stand hier die Brauerei Höfel, daneben schon seit 1865 die Maschinenfabrik Schieß. Es handelte sich um das berühmte „Oberbilker Gleisdreieck“, in dem die ältesten Oberbilker Industrien lagen. Der Stadtplaner Stübben legte 1885 in den nördlichen Schenkel, also in die jetzige Worringerstraße, den neuen Hauptbahnhof. Auf die Brauerei Höfel folgte 1937 die Post.
Der 100 m Turm ist ein alter Hut. Vor 20 Jahren schon, bei der Umstrukturierung der Industrie-Brachflächen in Oberbilk, war fast an der gleichen Stelle der 140 m Turm „IHZ“ (Internationales Handelszentrum) vorgesehen. Er sollte das neue Wahrzeichen von Düsseldorf werden mit „hängenden Gärten“, „Wasserfällen“ und „Lichtflügeln“ (Glasmöwe).

M wie Moskau

Beflügelt in der Gorbatschow Euphorie von 1989 war vor allem an ein „Russisches Haus“ gedacht. Düsseldorf gewann den Standort gegen Hamburg und Stuttgart. Daher der Name „Moskauer Straße“, von dem jetzt der Name M herrührt.
Neben dem Turm sollte ein „World Trade Center“ entstehen. Das unglückliche WTC in New York vergab 77 dieser geschützten Namen weltweit. Für Deutschland stand Düsseldorf.
Von all diesen gewaltigen Plänen ist nur eine dürre Version übrig geblieben: das „Haus der Wirtschaft und Industrie“ (HWI) am Oberbilker Markt, sowie zwei fünfstöckige Bürohäuser an der Moskauer Straße mit U-Bahn Anschluss.
Damals vor 20 Jahren, sprach man in Oberbilk vom „urban entertainment center“.
Aus dem alten Pferdebahndepot (1896) an der Erkratherstr. wurden ab 1996 das Tanzhaus und das Capitoltheater (2011 großer Erfolg mit Hape Kerkeling und Dirk Bach).
Eingezogen in die alte Paketpost an der Worringerstr. ist mittlerweile das Central Theater (Probebühne) und das Stadtarchiv. Gleich neben dem Hauptbahnhof steht das größte Kino der Stadt.
Trotz all dieser Anstrengungen und neuerer Aktionen (wp8 Künstlerverein, „Platzda“, “Hellgrün“) ist der Worringer Platz ein Problemkind.
Ähnlich, wie bei den Träumen der „Global City“ in Oberbilk, wird man hier die Erwartungen des „urban entertainment center“ zurückschrauben müssen.

M wie Mörder

Drei Wochen nach der Hinrichtung des Düsseldorfer Mörders Kürten 1931 gab es den Meisterfilm „M“ von Fritz Lang mit Peter Lorre und Gustaf Gründgens. Im Ausland hieß der Film „M - il mostro di Düsseldorf“ (das Monster von D)
Mit „M“ verbindet der Düsseldorfer automatisch den Mörder Kürten.
Makaber: Der Wohnturm „M“ liegt nur 200 m neben der damaligen Wohnung des Mörders.
zum Weiterlesen: Anne Mommertz, Oberbilk, Düsseldorf 2010

Dienstag, 3. Juni 2014

"Das Majolikahäuschen wiederentdeckt" von Dieter Jaeger

Kachelteile des ehemaligen Juwels gefunden bei Erdarbeiten vor der Tonhalle
  
Erinnern wir uns an das Possenspiel im Hofgarten im Jahre 2007: „Erwin gegen den Rest der Welt“. Ein Café für Düsseldorfer Bürger sollte auf der Tonhallen-Terrasse errichtet werden; per Ratsbeschluss von SPD, FDP und GRÜNE. Doch dieser Beschluss wurde von Oberbürgermeister Erwin kassiert, weil man angeblich auswärtige Besucher nicht ausgrenzen dürfe; Kopfschütteln bei den Parteien und bei den Bürgern.
Es sind schon merkwürdige Dinge, die hier an der Tonhalle passieren und immer hat die Obrigkeit ihre Hand im Spiel.

Abgang bei Nacht und Nebel

So auch beim Abriss des heißgeliebten Majolikahäuschens (Name von Mallorca-Fayencen abgeleitet). Es stand 20 Meter neben der Tonhalle im Hofgarten und war ein Überbleibsel der großen Ausstellung von 1902.
Villeroy & Boch hatte hier einen Pavillon: ein weiß blau gelber Jugendstilbau, wunderbar verziert, Treffpunkt für Liebespaare und Gouvernanten mit Kinderwagen. Es gab Kaffee und Kuchen, Kakao und Milchgetränke.
Heute ist das Häuschen kaum noch zu erahnen. Nur Spurenleser und Düsseldorf Freaks erkennen seine Umrisse im jetzigen Kinderspielplatz.
In der Nacht des 9.FEB 1926 verschwand das Häuschen spurlos. Ein Krimi, Sturm der Entrüstung in Düsseldorf; einen Monat lang kein anderes Thema im Blätterwald. Man hatte etwas geahnt, als einige Zeit vorher dem Besitzer gekündigt worden war.

Was war geschehen?  

Heute wissen wir es. Drahtzieher war Professor Wilhelm Kreis, Hauptarchitekt der GESOLEI (Düsseldorfs Groß-Ausstellung 1926), der Erbauer des Marxhauses (erstes Hochhaus in Deutschland), des Ehrenhofs mit Planetarium (die heutige Tonhalle) und der Rheinterrasse.
Dieser Baulöwe hatte etwas gegen das Jugendstil-Gebäude mit seinen prunkvollen Schnörkeln und aufgeklebten Ornamenten („versaut mir die ganze GESOLEI“). Im Malkasten hatte er zu einem der Hauptbeteiligten gesagt: „Sie waren doch Pionieroffizier. Muss doch für Sie eine Kleinigkeit sein, das olle Ding wegzublasen“.
Diplomingenieur Richard Sonnemann 1964 in einem späten Zeitungsbekenntnis: “Wir trommelten einige Zimmerleute zusammen, besorgten einen Lastwagen und nach einigen Lagen Freibier war von dem Majolikahäuschen nichts mehr zu sehen“. Zum Oberbürgermeister Lehr gebeten, zuckte Kreis nur die Achseln. Es gab keine Belege. Es blieb bei Vermutungen.
Die Düsseldorfer lieben bis heute ihr verschwundenes Majolikahäuschen. In der verklärenden Erinnerung wird es wie das verschwundene Düsselschlösschen zu einem Idol.

Mehr bei de.wikipedia.org/wiki/Majolikahäuschen